Die singenden Nonnen

Eingereicht von: Andrea Nickels

Am Bahndamm entlang zwischen Brennesseln und Unkraut führt ein schmaler Weg zu einer alten Ruine, von der behauptet wird, es spuke darin. Früher einmal war es ein kleines Kloster, das "Kloster der singenden Nonnen". Es wurde so genannt, weil der Orden statt "Bete und arbeite" sich zum Gebot machte:

"Singe und arbeite".
Man sagt sich, die Stimmen seien auch heute noch zu hören, sie seien so eindrucksvoll, dass die Mauern zittern und der Boden bebt.
Alle Menschen, die an diesem unheimlichen Ort waren, kehrten verstört und durcheinander zurück. Der eine hüpfte nur noch wie ein Känguruh, der andere musste an einem Stück niesen, und von einem wird erzählt, dass er nur noch Purzelbäume macht.
Schon etliche Jahre hatte sich niemand mehr getraut, sich der Ruine zu nähern, bis Quentin eines Tages von den gruseligen Geschichten hörte. Quentin war ein junger Abenteurer, er suchte ständig nach neuen Dingen, die er ausprobieren konnte. Daher zog es ihn gerade zu an diesen merkwürdigen Ort. Eines Tages also machte Quentin sich auf den mühsamen Weg. Er kämpfte sich durchs Gestrüpp, nichts konnte ihn aufhalten.
Beim Betreten des Gebäudes knirschte und wackelte es überall, doch das störte Quentin nicht. Er beleuchtete mit einer kleinen Taschenlampe den Raum, der zu seinem Erstaunen voll möbliert war. Dies war wohl eine Schlafkammer einer der singenden Nonnen: ein Schrank, ein Bett und ein Klavier standen mit Spinnweben überzogen darin.
Quentin öffnete neugierig den Deckel des Klaviers und berührte leicht mit dem Finger eine Taste. Ein dunkler, schauriger Ton erklang, den sogar Quentin erschreckte. Hinter ihm quietschte es plötzlich, und die Schranktür ging auf. Mutig wie Quentin nun mal ist, stand er auf und leuchtete mit der Taschenlampe in den Schrank. Dort hingen noch zwei Gewänder, gerade nebeneinander, unverstaubt und wie frisch gebügelt.
"Komisch", dachte Quentin, kümmerte sich aber nicht weiter drum, sondern wandte sich wieder dem Klavier zu.
In diesem Moment bewegten sich plötzlich die Tasten von ganz alleine und spielten eine fröhliche Melodie.
"Gar nicht so schlecht", murmelte Quentin vor sich hin und versuchte mit "la, la, la" mitzusingen. Er war so in seinem Element, das ihm erst gar nicht bewußt wurde, dass er hier vor einem Klavier saß, das ohne fremde Hilfe spielte. Doch mit einem Schlag hörte es auf zu spielen und Quentin kam wieder zu sich. Irgendwie fühlte er sich jetzt ein wenig unwohl, er kam sich beobachtet vor. Als er sich umdrehte, blieb ihm fast das Herz stehen. Dort standen mindestens zwanzig Nonnen aufgestellt wie ein Chor. Eine pummelige Schwester holte ihren Dirigentenstock hervor und tippte damit auf Quentins Rücken.
"Spiel was" befahl sie.
Da Quentin gar nicht richtig spielen konnte, erfand er irgendeine Melodie. Er spielte sie nicht lange, da spürte er wieder den bohrenden Stock in seinem Rücken.
"Was ist das denn? Das kennen wir gar nicht! Sing es uns vor", quengelten sie. Also ließ Quentin sich was einfallen und sang spontan das, was ihm gerade in den Kopf kam. Und das war ziemlicher Quatsch: "In der Ruine leben Pinguine, sie sind noch gut auf Zack, singen Tag und Nacht, schwipp-schwapp, da geht was ab." Die Nonnen sangen begeistert mit, und als das Lied zu Ende war, sagte eine Nonne: "Du bist der Erste, der ein neues Lied gespielt hat. Du musst wissen, wir sind wild darauf, was Neues kennenzulernen, denn die alten Lieder leiern wir nur noch runter. Schließlich müssen wir ja ausgefüllt bleiben bis zum Ende unseres Daseins".
"Wann ist denn das Ende? Ihr seid doch schon tot", wollte Quentin wissen.
"Wenn wir nichts mehr zu singen haben, dann müssen wir wieder arbeiten. Und dazu sind wir zu faul. Du hast uns was Neues gelernt, deswegen belohnen wir dich mit deiner Freiheit. Du darfst gehen."
"Dankeschön. Werde ich auch kein Känguruh oder so was?"
"Nein, du verdienst keine Strafe. Geh und komm bald wieder mit neuen Liedern."
So hatte Quentin es geschafft, die Ruine zu verlassen, ohne verrückt zu werden. Noch heute gilt er als Held.

 Englische Übersetzung


Schreibt doch selbst einmal eine Geschichte oder ein Märchen. W I E ?
Seht euch mal die Bauanleitung an.

Ihr habt schon ein Märchen geschrieben? Dann schickt es per E-Mail an: Pat Addy's Märchenwelt - Märchen schreiben


Nächstes Märchen Vorheriges Märchen

Märchenstube Märchenkalender Märchenwettbewerb Janosch
Sagenhafte Links Märchenforum Buchtipp des Monats Diddl
Kinderflohmarkt Märchenchat Linkliste Sandmännchen
Postkartenservice Schreibwerkstatt Newsletter Award
Poesiealbum Kids-Gewinnspiele Email Meine Gäste
Spielekiste Suchen Noch mehr ...? Umfrage

Wenn du Fragen hast, klicke hier! Zum Seitenanfang

Zurück zur Startseite Email für die Märchenwelt Zum Gästebuch

© 2004 by step-4-step.de